SCHREIBE Deine Eigene Rede

Was ist persönlicher als für die eigene Hochzeit ein Ehegelübde oder für die Beerdigung eines geliebten Menschen eine eigene Rede zu schreiben? Natürlich ist nicht jeder Mensch dieser besonderen Aufgabe emotional gewachsen. Viele sind an ihrem Hochzeitstag sowieso schon viel zu aufgeregt. Und im Fall einer Beerdigung überragen oft der Schmerz und die Trauer, so dass an eine eigene Abschiedsrede nicht zu denken ist. Doch es gibt auch Menschen, die ihre Gefühle mit eigenen Worten ausdrücken möchten. Nur eben nicht so genau wissen wie. Für all jene, biete ich Einzel-Workshops an in denen ich Interessent*innen dabei unterstütze, ihre ganz persönliche Rede zu schreiben und vorzutragen. Bei Interesse an einem solchen Workshop schreibe mir gerne eine E-Mail an kontakt@wortedafuer.de.

DIE SCHÖNE HELENA – MEINE REDE FÜR MEINE OMA

Im Herbst 2022 verstarb meine liebe Oma. So richtig begreifen kann ich es immer noch nicht. Oft habe ich noch den Impuls, sie anzurufen und mit ihr über dies und das zu sprechen und zu lachen. Auf ihrer Beerdigung sprach ein Freier Redner für sie eine schöne und andächtige Rede. Seine Worte waren tröstlich und hätten meiner Oma sicher gefallen. Und doch ließ mich der Gedanke nicht los, meine eigene Rede für meine Oma zu schreiben. Ich grübelte darüber lange, bis ich etwa ein Jahr später meine IHK-Ausbildung als Freie Rednerin begann und im Rahmen der Abschlussprüfung schließlich meine ganz persönliche Trauerrede für meine Oma schrieb und vortrug.

Eine Entscheidung über die ich sehr glücklich bin. Denn ich habe nicht nur meine Ausbildung mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen, sondern bin meiner Oma auf diesem Wege auch nochmal sehr nahe gekommen. Beim Schreiben stellte sich das ein was ich mir unbewusst wahrscheinlich erhofft hatte, weil es ganz oft beim Schreiben passiert: Bewusste Auseinandersetzung. Sowohl die Recherche in ihren Notizen, als auch das Blättern in Familienalben und das Herausarbeiten ihres Lebensweges, haben mir geholfen, einen versöhnlichen Blick auf ihr Lebensende zu werfen. Denn meine Oma hatte ein schönes und langes Leben und wollte niemals jemand anders sein. Sie war glücklich im Kreise ihrer Familie, liebte und fühlte sich geliebt.

Einen Auszug aus meiner Rede möchte ich hier gerne teilen.

 

Schlagen wir Helenas Erinnerungsalbum auf, dann sehen wir ein kleines Mädchen, mit einer Schleife im blonden Haar, das auf Treppenstufen sitzt und in die Kamera lächelt. Dort, im Schatten des kleinen einfachen Siedlungshauses ihrer Eltern, in dem sie später mit ihrem Ehemann viele glückliche Jahre verbringen und ihre vier Kinder sowie ihr Enkelkind großziehen wird, dort spielt sich ihre ganze Welt ab.

Helena, die „Strahlende“, wurde im Juli 1934 geboren, ein fröhliches Sommerkind, in einer Zeit, in der das Land von einem schweren Schatten bedeckt war und viele Menschen in einer Atmosphäre der Furcht und Unsicherheit leben mussten.

Doch im Kreise ihrer Familie fühlte sich Helena immer sicher und geliebt. Sie liebte es, mit ihrer älteren Schwester draußen vor dem Haus Fangen oder Verstecken zu spielen und abends müde mit ihren Märchenbüchern einzuschlafen. Sie liebte es, in die allumfassenden Arme ihrer Mutter zu rennen und ihr zusammen mit ihrem Vater heimlich ein Stück vom selbstgemachten Apfelkuchen zu stehlen. Und sie liebte es auch, ihrem Großvater kleine Zöpfchen ins Haar zu flechten, bei deren Anblick ihre Großmutter immer laut lachen musste. Und sonntags nach der Kirche freute sie sich vor allem auf die gemeinsamen Mittagessen mit der ganzen Familie, mit frischer Butter, Käse und Eiern aus dem Lädchen der Tante und Gemüse aus dem Garten. Am liebsten aß sie aber Milchsuppe mit breiten, dicken Nudeln. (…)

Und während sich die Welt vor Helenas Küchenfenster stetig und immerzu veränderte und während ihr Haus, in dem sie seit ihrer Kindheit lebte, mit den Jahren immer ruhiger und größer wurde, hielt Helena an den Werten fest, auf die sie immer baute und die sie in ihr Notizalbum schrieb: Glaube, Liebe und Hoffnung.

Selbst nach dem Tod ihrer Eltern und dem schweren Verlust ihres geliebten Mannes, selbst danach wollte Helena niemand anders sein. Auf die Frage, ob sie vielleicht gerne mal ein anderes Leben gelebt hätte, antwortete sie entschieden mit: „Nein. Ich wollte niemals jemand anders sein oder woanders sein.“ (…)

Vielleicht können wir Trost darin finden, dass Helena ein glückliches, zufriedenes und langes Leben hatte. So, wie wir es uns alle wünschen.

Und so schlagen wir die letzte Seite von Helenas Erinnerungsalbum zu. Nicht aber das Buch des Lebens. Denn das hält für uns noch viele leere Seiten bereit. Ich wünsche uns, dass wir diese Seiten mit mit vielen wertvollen Erinnerungen füllen werden. Helena zu Ehren.