WARUM WIR MEHR ÜBER DEN TOD SPRECHEN SOLLTEN

Der Tod erwischt uns manchmal wie plötzlich gefrierende Nässe. Bringt uns aus der Balance und zum Fall. Das Aufstehen und wieder in den festen Stand kommen ist für viele Angehörige und Hinterbliebene eine enorme emotionale Herausforderung. Die Zeit zur Trauer kommt oft zu kurz oder steht einfach nicht auf der Liste der vielen Dinge, die mit dem Tod von Familienangehörigen mit sich kommen. Die Beauftragung eines Bestattungsunternehmens, die Auswahl eines Sarges oder einer Urne, die Einladung der Trauergäste, mal ganz absgesehen von den Behördengängen. Plötzlich stehen Fragen im Raum, mit denen man sich noch nie zuvor auseinander gesetzt hat. Fragen, die schnell beantwortet werden müssen. Und so kommt es, dass viele einfach weiter funktionieren und den inneren Motor weiterlaufen lassen. Das mag bei manchen von uns klappen, bei anderen nicht. Warum es gut ist, in solchen Extremsituationen nach Hilfe zu fragen, darüber habe ich mich mit Marlene Lippok von der EndlichkeitsWerkstatt ausgetauscht. Marlene arbeitet als Trauerbegleiterin und ist Mitglied der Trauer Taskforce, ein Netzwerk von Trauer-Expert*innen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden.

Trauernde brauchen keine Ratschläge, sondern einen sicheren Rahmen, indem sie so sein dürfen, wie sie sind.

 

Für wen ist eine Trauerbegleitung sinnvoll?

 

Marlene: Trauerbegleitung kann für alle Menschen eine sinnvolle Unterstützung sein. Empfehlen würde ich eine Trauerbegleitung all jenen, die sich von ihren Emotionen oder dem Trauerprozess insgesamt überfordert fühlen und die sich Hilfe wünschen. Auch fehlende (verständnisvolle) Gesprächspartner*innen im eigenen Umfeld können ein Indiz dafür sein, dass eine Trauerbegleitung sinnvoll ist.

Wie können wir das Thema Tod enttabuisieren und einen natürlichen Umgang damit erlernen?

 

Marlene: Am besten ist es, über die Themen Sterben, Tod und Trauer zu sprechen und diese Themen als etwas ganz Natürliches zu verstehen. Wir müssen alle bereit sein, uns mit dem Themenfeld Sterben, Tod und Trauer zu beschäftigen. Wir müssen informiert sein und informiert werden. Eine entsprechende Haltung brauchen wir dabei sowohl als Individuen als auch als Gesellschaft. Letztere könnte Öffentlichkeitsarbeit für den Tod ganz gut gebrauchen. Tabuthemen werden im Prozess der Sozialisation übernommen, es ist also wichtig, schon mit Kindern darüber zu sprechen und die Themen in Kindergarten und Schule zu etablieren.

Warum ist es ratsam, schon zu Lebzeiten mit Angehörigen über den eigenen Tod zu sprechen?

 

Marlene: In einer akuten Verlustsituation sind wir meist sehr überfordert und es fällt uns schwer, gute Entscheidungen zu treffen. Eine gute Entscheidung im Sinne der verstorbenen Person zu treffen ist aber erst recht schwer, wenn es vorher kein Gespräch darüber gab, was sich eine Person für ihren nachtodlichen Weg gewünscht hat. Wenn wir mit unseren Angehörigen besprechen, was sich jeder wünscht, kann auch Konfliktsituationen vorgebeugt werden, da nicht über verschiedene Annahmen diskutiert werden muss.

Wie kann man Trauernden eine Stütze sein?

 

Marlene: Am besten einfach da sein und schauen, was das trauernde Gegenüber braucht. Da Trauer ein sehr individueller Prozess ist, kann das bei jeder Person und darüber hinaus auch zu verschiedenen Zeitpunkten etwas ganz anderes sein. Es gibt aber ein paar Grundregeln: Trauer darf da sein und gezeigt werden. Trauernde entscheiden, was sich für sie richtig oder falsch anfühlt. Trauer ist nicht irgendwann einfach vorbei, sondern begleitet uns durch unser Leben. Trauernde brauchen keine Ratschläge, sondern einen sicheren Rahmen, indem sie so sein dürfen, wie sie sind.